Ob man bei einem Projekt im Jahr 1990 bereits von Industrie 4.0 sprechen kann, sei dahingestellt. Vielleicht war das ja einfach Automatisierung. Auf alle Fälle war es mein erstes Digitalisierungs-Projekt in der Maschinenindustrie und die erzielte Kostenreduktion war wesentlich.
Ich habe mir kürzlich überlegt, wann ich das erste Mal mit der Digitalisierung in Kontakt kam. Es war 1990, also vor gut 30 Jahren! Ich war damals in der Ausbildung zum Maschinenzeichner bei der SIG (Schweizerischen Industrie Gesellschaft in Neuhausen). Mein Lehrbetrieb hat unter anderem Drehgestelle für Eisenbahnwagen produziert. Also die Rolleinheiten, welche den eigentlichen Bahnwagen tragen.
In der Ausbildung musste ein Praktikum in der Montage absolviert werden. Zu dieser Zeit war ich in der Abteilung, in der die fertigen Drehgestellrahmen auf Masshaltigkeit geprüft werden.
Die diversen Messpunkte wurden mit Hilfe von zwei optischen Messgeräten (Theodoliten) auf einen Computer (MS-DOS) eingelesen. Nach dem Erfassen der 20 bis 40 Messpunkte druckt das System eine Liste mit den X‑, Y- und Z‑Koordinaten der Messpunkte auf Papier aus. An dieser Stelle kommt dann auch der Medienbruch. Zu jedem Rahmentyp gab es ein entsprechendes Messprotokoll. Dieses enthält die jeweiligen Soll-Masse sowie die zulässige Abweichung. Mit dem Taschenrechner wurde dann die Differenz zwischen den Messpunkten ermittelt und geprüft, ob dieses in der zulässigen Toleranz liegt. Das Prüfprotokoll wurde von Hand geführt!
Zu dieser Zeit war das Produktionsaufkommen sehr hoch, somit musste die Anschaffung eines zweiten Messplatzes geplant werden. Die Zusatzinvestitionen waren offeriert mit über 200’000 Franken plus eine zusätzliche 100 % Stelle.
Die Digitalisierung des Prozesses
Mich hat als Lehrling dieses «händische» Auswerten gestört. Es war sehr zeitintensiv und zudem fehleranfällig. Die Messdaten lagen bereits im Computer und sollten nach meiner Auffassung auch dort automatisiert ausgewertet werden können.
Meine Idee war dann, eine Software zu entwickeln, welche die Auswertung übernimmt. Allerdings wurde diese Idee von der Abteilungsleitung nicht unterstützt und begründet mit …
«Das läuft jetzt seit Jahren problemlos so. Das auf dem Computer auszuwerten, ist viel zu kompliziert.»
Das war dann Herausforderung genug. In der Freizeit wurde eine Software entwickelt, welche genau diese Aufgabe übernahm. Die zu prüfenden Abmessungen konnten pro Rahmentyp definiert werden. Auf Knopfdruck werden die Messdaten importiert und mit den Sollwerten abgeglichen. Schlussendlich wurde das sauber formatierte Protokoll ausgegeben. Zudem gab es nun auch die Möglichkeit, statistische Auswertungen zu erstellen und so Erkenntnisse zu den einzelnen Rahmentypen und Produktionsschritten zu gewinnen.
Die Software habe ich der Abteilungsleitung vorgestellt. Das Ganze wurde zwar anfänglich sehr skeptisch aufgenommen, dann aber doch ausgiebig geprüft und zu guter Letzt auch eingeführt
Einsparung durch Digitalisierung
Durch die Digitalisierung des Prozesses konnte der Durchsatz von 3–4 auf durchschnittlich 7–8 Rahmen pro Tag verdoppelt werden. Angesichts dessen war auch die Anschaffung des zweiten Messplatzes vom Tisch. Als «Belohnung» erhielt ich 1’000 Franken und ein Goldvreneli über den Prozess des Vorschlagswesens – der Stolz jedoch war unbezahlbar.
Wie der Prozess wohl heute aussehen würde
Keine Frage, diese Lösung ist unter heutigen Gesichtspunkten nichts Bahnbrechendes. Die wesentlich grössere Herausforderung ist aktuell das Transformieren ganzer Geschäftsmodelle ins digitale Zeitalter. Das wiederum passiert nicht bereits seit 30 Jahren – wird sich aber in den kommenden Jahren beschleunigen. Wie sieht das in Ihrem Unternehmen aus? Ist ihr Betrieb für die digitale Zukunft und Themen wie Industrie 4.0 und Digitalisierung richtig aufgestellt?